Ocean Conservancy zieht folgenschweren Bericht von 2015 zurück

by Lydia on 02/11/2022 No comments

Am 10. Juli 2022 entschuldigte sich die einflussreiche amerikanische Non-Profit-Organisation (NPO) Ocean Conservancy bei mehr als 700 Organisationen für den Schaden, den sie mit ihrem im Jahr 2015 veröffentlichten Bericht „Stemming the Tide“ verursachte. Die NPO hat den Bericht widerrufen, von deren Website entfernt sowie jegliches dafür Werben und jeden Verweis darauf eingestellt.

Im bekannten, häufig zitierten Bericht behauptete die NPO, dass ein Grossteil des ins Meer gelangten Plastiks aus einem kleinen geografischen Gebiet in Ost- und Südostasien stammte. Fünf asiatische Länder (China, Indonesien, Vietnam, Thailand und die Philippinen) waren für mehr als die Hälfte der Plastikverschmutzung in den Weltmeeren verantwortlich. Damit entwickelte Ocean Conservancy ein Narrativ, welches für die folgenden Jahre schwerwiegende Auswirkungen auf die Plastikverschmutzung hatte und zu einer Plastikkrise führte.

Neben der Entschuldigung stellte Ocean Conservancy zwei von Experten begutachtete Berichte zur Verfügung. Die Abhandlungen beleuchten eine genauere Betrachtung der Rolle und Verantwortung aller Nationen, um die Plastikverschmutzung in den Ozeanen zu verhindern und präsentieren ganzheitliche Lösungen, die auf den Grundsätzen der Kreiswirtschaft basieren. 1.

Welchen Schaden richtete der Bericht an?

Der von der NPO veröffentlichte Bericht enthielt eine fehlerhafte Analyse des Problems: Er fokussierte darauf, den ins Meer gelangenden Plastik zu reduzieren, anstatt eine Verringerung der Plastikproduktion anzustreben. Das führte dazu, dass der erhebliche Anteil von den wohlhabenden, entwickelten Ländern in die unaufhaltsame Plastikkrise nicht anerkannt wurde. Der Bericht begünstigte die Plastikentsorgung mithilfe von Verbrennungsanlagen sowie weitere falsche Lösungsansätze.

Jahrzehntelang unterstützten die Industriestaaten die Überproduktion von Kunststoffen. Als langfristige Lösung setzten sie auf Recycling, statt eine Reduktion der Kunststoffproduktion voranzutreiben. Mit dem „Recycling“ exportierten die Länder des Globalen Nordens systematisch grosse Mengen von Plastikabfällen zur Verarbeitung in die Entwicklungsländer. Das führte zu einem immensen Druck auf die ohnehin schon unbeständigen Abfallwirtschaftssysteme in diesen Ländern. Da der Bericht nicht auf die Auswirkungen einging und die asiatischen Länder für die Plastikkrise verantwortlich waren, bestärkte er die Industriestaaten darin, weiterzumachen wie gewohnt. Das Problem lag schliesslich woanders.

In ihrem Bericht warb Ocean Conservancy für das Verbrennen von Plastik. Eine falsche Problemlösung aus vielerlei Hinsicht: Das Verbrennen trug zum Klimawandel bei, indem gefährliche Mengen an Giftstoffen und Treibhausgasen in die Atmosphäre entwichen. Das führte zu Gesundheitsproblemen bei denjenigen, die diesen Giften ausgesetzt waren und in der Nähe der Verbrennungsanlagen lebten 2. Ausserdem zwang das Abfallverbrennen die Kommunen dazu, mehr Abfall zu produzieren, um die Anlagen am Laufen zu halten. Das erschwerte die Abfalltrennung und förderte das Einsetzen und die Produktion von Plastik.

Das Akzeptieren dieser „Lösung“ veranlasste die Regierungen dazu, sie zu übernehmen und zu fördern. Da viele Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) sich gegen das Verbrennen von Plastik einsetzten, untergrub dieser Entscheid deren geleistete Arbeit. Für die NGO wurden schwerwiegende Hindernisse geschaffen, die für eine positive Veränderung notwendig gewesen wären, um die Plastikverschmutzung zu minimieren

Warum Ocean Conservancy ihren Bericht zurückzog

Als Reaktion auf den 2015 veröffentlichten Bericht unterzeichneten über 700 Organisationen einen offenen Brief. Darin äusserten sie ihr Kritik und wiesen auf mögliche Auswirkungen hin, die ein solch ungenauer Bericht haben kann – und schliesslich auch hatte. Umweltgruppen waren bestrebt, die Darstellung zu berichtigen. Sie legten Beweise vor, dass die Plastikverschmutzung grösstenteils von den Industriestaaten stammte und sie für die Tausend Tonnen Plastikmüll, der in die Umwelt gelangte, verantwortlich waren. Sie bemühten sich, die falschen Lösungen aufzudecken, wie das Verbrennen von Müll, „Abfallverwertung durch Energiegewinnung“ und chemisches Recycling.

Die neue Website von Break Free From Plastic zeigt auf, wie zukünftig die Plastikverschmutzung eingedämmt werden kann. Auch ist dort zu erfahren, wie Greenwashing und andere Mythen erkennbar sind.

Dank unermüdlicher Arbeit und Beharrlichkeit zahlreicher Organisationen, wie die Global Alliance for Incinerator Alternatives (GAIA) und Break Free From Plastic, zog Ocean Conservancy ihren Bericht schliesslich zurück und bekannte sich zu den Mängeln und Ungenauigkeiten:

«Im Bericht ‚Stemming the Tide‘ richtete Ocean Conservancy den Fokus ausschliesslich auf das Eindämmen der Plastikmenge, die ins Meer gelangte. Wir haben das Verbrennen und die Müllverbrennung als akzeptable Lösungen für die Plastikkrise in den Ozeanen untersucht und einbezogen, was falsch war. Wir versäumten, die Ursachen des Plastikmülls zu bekämpfen. Es wurde versäumt, zu berücksichtigen, welche Auswirkungen die Ursachen des Plastikmülls auf die Kommunen und NGO hatten, die vor Ort an den am stärksten von der Plastikverschmutzung betroffenen Regionen arbeiteten. Wir dachten zu wenig darüber nach, wie diese Technologien die unermüdliche Nachfrage nach Kunststoffproduktion förderten und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft und einer kohlenstofffreien Zukunft verhinderten. Wir konzentrierten uns zu engstirnig auf eine Region der Welt (Ost- und Südostasien) und entwickelten ein Narrativ, wer für die Plastikverschmutzung in den Ozeanen verantwortlich war. Wir waren zu wenig kritisch, um nicht zu erkennen, dass die Industriestaaten, insbesondere die Vereinigten Staaten, eine immense Rolle bei der Erzeugung und dem Export von Plastikmüll in diese Regionen der Welt spielten. Auch das war ein Fehler.»

Wie geht es weiter?

Seit Ocean Conservancy den Bericht zurückgezogen und sich entschuldigt hat, arbeiten viele Organisationen mit der NPO zusammen, um den entstandenen Schaden zu beheben.

Froilan Grate, Regionaldirektor der GAIA, sagte, «gemeinsam mit Mitgliedern sowie Verbündeten von Break Free From Plastik und Ocean Conservancy sind wir am Ausarbeiten von Massnahmen, um die dringend benötigte Gerechtigkeit für die betroffenen Kommunen in Asien wiederherzustellen.»

Hier geht es zur vollständigen Antwort der GAIA und von Break Free From Plastics auf die Entschuldigung.

Trash Hero, als aktive Organisation in Südostasien, ist über den zurückgezogenen Bericht erfreut. Auch wenn diese Länder in der Tat an vorderster Front der Plastikkrise stehen, war es unfair und ungerechtfertigt, ihnen die Schuld an der Situation zu geben. Wir sind gespannt auf die Arbeit, die Ocean Conservancy leisten wird, um den entstandenen Schaden zu beheben. Wir hoffen, dass die NPO sowie andere Organisationen Unterstützung für die aufrichtige Arbeit bieten, um echte, abfallfreie Lösungen in dieser Region zu finden.

Wer irgendwo die Geschichte entdeckt, dass diese Länder für den Plastik in den Ozeanen verantwortlich sind oder das Narrativ erkennt, das Verbrennen von Plastikmüll als Lösung anzupreisen, dann hilf uns bitte, diese Mythen zu entlarven. Teile diesen Beitrag mit möglichst vielen Personen, damit die Verbreitung dieser falschen Sichtweise gestoppt wird.

Fussnoten:

  1. ““Evaluating scenarios toward zero plastic pollution” Lau et al & “The United States’ contribution of plastic waste to land and ocean’ Law et al
  2.  ‘Plastic and Climate’ CIEL report, page 57
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