Es sollte die letzte Runde der UN-Verhandlungen für ein weltweites Abkommen über Plastik sein. Am Ende endete die INC-5 ohne eine Einigung – allerdings nicht ohne Fortschritte.
Das Treffen fand vom 25. November bis zum 1. Dezember 2024 in Busan, Südkorea, statt, und es nahmen fast 4’000 Personen teil. Der Vorsitzende, Luis Vayas Valvidieso, stand unter starkem Druck, eine Einigung zu erzielen. Er verbrachte die Woche damit, die Länder zu beschwören, eine gemeinsame Basis zu finden und „es zu Ende zu bringen“, und stimmte sogar Verhandlungen hinter verschlossenen Türen für fast drei Tage zu – eine eklatante Missachtung der Transparenz, die Wissenschaftler*innen, zivilgesellschaftliche Gruppen und die von der Plastikverschmutzung am stärksten Betroffenen im Regen stehen liess.
Doch eine Einigung war nicht zu erwarten. Die Gespräche verdeutlichten nur die tiefen Gräben zwischen den Ländern in drei zentralen Fragen: Begrenzung der Plastikproduktion (Artikel 6), Regulierung giftiger Chemikalien (Artikel 3) und Finanzierung (Artikel 11).
Eine Minderheit der so genannten Petrostaaten – grosse Exporteure fossiler Brennstoffe – blockierte weiterhin alle Versuche, die Produktion von Plastik zu begrenzen oder zu reduzieren, mit dem Argument, dies sei für das Problem der Umweltverschmutzung irrelevant. Sie lehnten wissenschaftliche Beweise für die schädlichen Auswirkungen von Petrochemikalien ab und behaupteten, Plastik sei für den Fortschritt, die Klimaziele und das „Recht auf Entwicklung“ unerlässlich. Die Mehrheit der Länder, sowohl des globalen Südens als auch des globalen Nordens, war jedoch entschlossen, verbindliche Verpflichtungen zur Verringerung der Plastikproduktion, den Ausstieg aus schädlichen Plastikprodukten und giftigen Chemikalien sowie einen speziellen Fonds zur Unterstützung der Vertragsumsetzung aufzunehmen. Sie verwiesen auf die UNEA-Resolution, die einen vollständigen Lebenszyklus-Ansatz für die Verschmutzung durch Plastik vorsieht und erinnerten an die Tausenden von Studien, die Chemikalien in Plastik mit ernsthaften Gesundheitsproblemen in Verbindung bringen.
Mit Juan Carlos Monterrey Gomez, dem inspirierenden Delegierten aus Panama.
Eintreten für ambitionierte Ziele
Das Zusammenstehen einer Koalition von mehr als 100 Ländern, angeführt von Panama, Ruanda, Mexiko und Fidschi und unterstützt von der EU, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Australien, war der Höhepunkt der Gespräche. Als sie Mitte der Woche auf der Bühne erschienen, gewannen sie schnell die Oberhand und bedienten sich einer starken Sprache – „wenn Sie keinen konstruktiven Beitrag leisten, dann gehen Sie bitte“ -, die die Energie und Dynamik im Saal völlig veränderte. Auf der abschliessenden Versammlung erhielt Juliet Kabera, die Generaldirektorin der ruandischen Umweltbehörde, tosenden Beifall für ihre Erklärung, in der sie versprach, sich für ambitionierte Ziele einzusetzen. Für die meisten Anwesenden war die Tatsache, dass auf der INC-5 keine Einigung erzielt wurde, ein Sieg des Mutes über den Kompromiss. Anstatt sich den unerbittlichen Schikanen der Petrostaaten zu beugen und den Text zu verwässern, blieben die fortschrittlichen Länder standhaft und zogen keinen Vertrage einem Nichtvertrag vor. Damit steht die Tür für einen echten Wandel weiter offen.
Ein Versagen des Prozesses
Der eigentliche Misserfolg der INC-5 war der Prozess selbst. Die Verhandlungen liefen in den letzten drei Verhandlungsrunden im Wesentlichen nach demselben Muster ab: Der Vorsitz schlägt einen Text vor mit der Anweisung, eine Einigung oder einen Konsens zu finden. Die Länder tauschen dann ihre Ansichten aus, wobei die Petrostaaten systematisch ihr Veto gegen ganze Artikel einlegen und jede Zeile mit Einschränkungen, Zusätzen und Streichungen verschleiern. Das Ergebnis ist ein unverständliches und unbrauchbares Dokument, das in der nächsten Runde „gestrafft“ werden muss, bevor der Prozess wieder von vorne beginnt. Anstatt diese fehlerhafte Vorgehensweise zu ändern, erhöhte der Vorsitzende einfach die Geschwindigkeit der Schleife, indem er zwei neue gestraffte Vorschläge herausbrachte, einen am Freitag und einen am Sonntag, da jede frühere Version innerhalb von Stunden zerrieben wurde. Wie Ana Rocha, Global Plastics Policy Director von GAIA, es ausdrückte: „Wir können nicht immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten – das ist die Definition von Wahnsinn. Die ehrgeizige Mehrheit muss alles tun, was nötig ist, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen und den Geist des Multilateralismus zurückzuerobern“. Das könnte bedeuten, dass sie auf ihr Recht bestehen, über einen Text abzustimmen, anstatt zu versuchen, einen Konsens zu finden, oder sogar den gesamten Prozess außerhalb der UNO zu führen.
Weitreichende Auswirkungen
Die in Busan zutage getretenen Meinungsverschiedenheiten weisen deutliche Parallelen zu den Herausforderungen bei den Klimaverhandlungen auf, wo die Petrostaaten seit Jahrzehnten den Fortschritt blockieren. Ihre orchestrierten Bemühungen, alle multilateralen Umweltabkommen zu behindern und zum Entgleisen zu bringen, müssen als solche erkannt und von der UNO ernsthaft angegangen werden. Dafür gibt es Präzedenzfälle, wie z. B. die Politik des Interessenkonflikts, die bei der WHO-Rahmenkonvention zur Eindämmung des Tabakkonsums angewandt wurde. Wenn wir in Bezug auf die Produktion von Plastik nicht entschlossen handeln, wird dies weitergehende Umweltziele, einschliesslich der Klimaziele, behindern, da wir wissen, dass allein dieser Sektor bis 2060 das globale Kohlenstoffbudget überschreiten könnte. Wenn wir nicht schnell handeln, wird sich auch die sich abzeichnende Krise der öffentlichen Gesundheit verschärfen, da sich Petrochemikalien bioakkumulieren und unsere Belastung täglich zunimmt.
Ein Abkommen in 2025?
Die INC-5 endete damit, dass die Verhandlungsführenden vereinbarten, ihre Sitzung im Jahr 2025 wieder einzuberufen – dies wird als INC-5.2 und nicht als INC-6 bezeichnet werden, da es sich um eine Fortsetzung derselben Sitzung handelt. Der Termin und der Tagungsort werden voraussichtlich im Januar 2025 bekannt gegeben, und es wird erwartet, dass die Tagung in der ersten Jahreshälfte stattfindet. Dies gibt der neuen Koalition ehrgeiziger Länder ein paar wertvolle Monate, um eine starke Führung zu demonstrieren, in die Diplomatie zu intensivieren und die Herausforderungen des Prozesses und der Interessen zu bewältigen, um sicherzustellen, dass wir einen Vertrag bekommen, der die Verschmutzung durch Plastik wirklich beenden kann.
Trash Hero bei den Vertragsverhandlungen
Als von der UNEP akkreditierter Beobachter kann Trash Hero an allen INC-Treffen teilnehmen. Wir schliessen uns unseren Kolleg*innen in der grossen zivilgesellschaftlichen Delegation an, die sich für starke und gerechte Massnahmen im Vertrag einsetzt, und unterstützen die Kommunikations– und Lobbyarbeit, die in Ausstellungsständen und bei Nebenveranstaltungen rund um den Tagungsort geleistet wird.