Wenn du dich um die Verschmutzung der Umwelt durch Kunststoffe sorgst, ist die Ankündigung eines Globalen Plastikabkommens durch die UNO eine tolle Nachricht. Sie bedeutet, dass das Problem nun international anerkannt ist und die Länder zusammenarbeiten müssen, um es zu lösen. Das endgültige Abkommen könnte die Produktion neuer Kunststoffe begrenzen, die Verwendung toxischer Chemikalien stoppen und sicherstellen, dass Produkte wiederverwendet werden.
Aber der Weg dorthin ist noch weit. An den Verhandlungen beteiligen sich fast 200 Länder mit zahlreichen unterschiedlichen Interessen. Sie müssen sich an bestimmte Diskussionsregeln halten, und es werden tausende Seiten Dokumente erstellt. Wer kein Anwalt oder Politikfreak ist, kann nur schwer verstehen, was da vor sich geht. Deshalb haben wir einen Leitfaden erstellt, der einige der Begriffe, die in der Vertragsdiskussion verwendet wurden, aufschlüsselt – und erläutert, warum sie wichtig sind. Je mehr Menschen darüber Bescheid wissen, was vor sich geht und was auf dem Spiel steht, desto grösser ist die Chance, dass wir ein starkes Abkommen erzielen, um uns und unseren Planeten zu schützen.
Also bilde dich und andere wieter! Folge uns auf Social Media @trashheroworld, um pber die bevorstehenden Verhandlungsrunden auf dem Laufenden zu bleiben.
1. Das Instrument
Weder Gitarre noch Klavier! Das «Instrument» wird von der UNO als Globaler Kunststoffvertrag bezeichnet. Sein offizieller Titel lautet „International rechtsverbindliches Instrument zur Bekämpfung der Verschmutzung durch Kunststoffe, einschliesslich der Meeresumwelt“. „Instrument“ ist lediglich ein rechtlicher Begriff für jede Art von formellem Dokument, in dem Rechte oder Pflichten festgehalten werden.
Warum nennen wir es nicht einfach einen Vertrag? Weil ein „Vertrag“ im Völkerrecht eine spezifische Bedeutung hat. Und es gibt andere Arten von internationalen Abkommen, wie Konventionen, Abkommen, Erklärungen oder Protokolle. Da wir noch nicht wissen, welche Form das „Instrument“ annehmen wird, verwendet die UNO diesen neutralen Begriff, um alle Möglichkeiten abzudecken.
Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass der künftige Vertrag bzw. das künftige Instrument ein „Übereinkommen“ sein wird. Idealerweise wird es sich um ein spezifisches Übereinkommen handeln, in dem die Verpflichtungen und Zusicherungen der Länder direkt im Text festgeschrieben sind.
Die andere Option ist ein Rahmenübereinkommen, dem lediglich prinzipiell zugestimmt wird, aber die Einzelheiten, wie und wann, später auszuhandeln sind. Das Rahmenmodell wurde im Rahmen des Klimaschutzübereinkommens der UNO (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, UNFCCC) verwendet, und fast 30 Jahre nach seinem Abschluss diskutieren die Länder immer noch über Massnahmen und Ziele. Die UNO-Klimakonferenz (COP29) wird im November 2024 in Aserbaidschan stattfinden und wird wahrscheinlich eher leeres Gerede sein.
2. INC – Zwischenstaatlicher Verhandlungsausschuss
So heisst die Gruppe der UNO-Mitgliedstaaten, die über das künftige Kunststoffabkommen beraten. Das INC (Intergovernmental Negotiating Committee on Plastic) wird von einem Sekretariat aus Mitarbeitenden des Umweltprogramms der UNO (UNEP) unterstützt und von verschiedenen Mitgliedstaaten finanziert. Derzeit sind fünf Sitzungen oder Sitzungen des INC geplant, etwa alle sechs Monate über zwei Jahre. Ist der Vertrag danach noch nicht fertig, müssen die Mitgliedstaaten entscheiden, wie sie weiter vorgehen. Zeitplan sieht wie folgt aus:
Nov 2022: INC-1 @ Punta del Este, Uruguay
Mai 2023: INC-2 @ Paris, Frankreich
Nov 2023: INC-3 @ Nairobi, Kenia
Apr 2024: INC-4 @ Ottawa, Kanada
Nov 2024: INC-5 @ Busan, Südkorea
3. COP – Konferenz der Vertragsparteien
COP (Conferences of the Parties) sind normalerweise mit dem Klimaschutzabkommen verknüpft, aber es ist ein allgemeiner Begriff für das, was kommt, nachdem eine UNO-Konvention vereinbart wurde: Die Länder, die sie unterzeichnet haben (die „Vertragsparteien“), treffen sich, um zu prüfen, wie es läuft und ob Änderungen nötig sind. Die COP für die Klimakonvention findet jedes Jahr statt. Zu einigen anderen Verträgen, wie z. B. zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, finden alle zwei Jahre COP statt. Für das Kunststoffabkommen ist noch nicht entschieden, wie oft sich die Vertragsparteien treffen werden.
4. Beobachtende und Interessenkonflikte
Seit dem Erdgipfel von Rio im Jahr 1992 hat die UNO erkannt, wie wichtig es ist, dass bei allen Diskussionen über die Zukunft unseres Planeten die Interessenvertreter vertreten sind. Sie haben neun „Hauptgruppen“ definiert:
- Frauen
- Kinder und Jugendliche
- Indigene Völker
- Nichtregierungsorganisationen
- Lokale Behörden
- Arbeitnehmende und Gewerkschaften
- Wirtschaft und Industrie
- Wissenschaft und Technologie
- Landwirtschaft
Akkreditierte Vertreter dieser Gruppen – wie Trash Hero World – heissen Beobachtende. Das heisst aber nicht, dass wir einfach nur zusehen, was passiert! Beobachtende können an den INC-Verhandlungssitzungen teilnehmen, Erklärungen abgeben, schriftliche Anträge einreichen und auch Informationen darüber erhalten, was zwischen den Verhandlungen passiert Aber wir dürfen nicht abzustimmen und können nur reden, wenn Zeit bleibt, nachdem die Mitgliedstaaten fertig sind.
Das System mit den Beobachtenden ist nicht perfekt. Die verschiedenen Beobachtenden haben unterschiedliche Zugangs- und Beteiligungsgrade. Manchmal hindert die logistische Teilnahme an allen Sitzungen einige Gruppen an der Teilnahme – nicht alle können es sich finanziell leisten, und viele haben Mühe, ein Visum zu bekommen. Das Recht von Beobachtenden auf Wortmeldung oder Teilnahme an Sitzungen kann zudem von den Mitgliedstaaten verweigert werden – einige sind der Zivilgesellschaft gegenüber freundlicher eingestellt als andere.
Das ganze System ist ein wenig zu freundlich für einige einflussreiche Akteure, wie die Vertreter der Wirtschaft und der Industrie, die häufig in offizielle Regierungsdelegationen eingeladen werden. Das INC hat sich noch nicht mit dem Interessenkonflikt befasst, der dadurch entstanden ist, dass es der Kunststoffindustrie erlaubt hat, an den Verhandlungen teilzunehmen.
5. Plenum, Kontaktgruppen, informelle Sitzungen
Bei den Sitzungen des INC finden die Eröffnungs- und Schlusssitzungen im Plenum statt. Dies bedeutet, dass sie allen Teilnehmenden offenstehen und für die Öffentlichkeit per Livestream übertragen werden. Die Hauptverhandlungen finden jedoch in Kontaktgruppen statt.
Kontaktgruppen sind formelle Meetings, die in der Regel einem bestimmten Thema gewidmet sind. Sie werden jedoch nicht per Livestream übertragen und unterliegen der Chatham House Rule. Diese Regel besagt, dass alles, was im Meeting gesagt wurde, geteilt und später verwendet wird, aber nur, wenn der Sprecher nicht genannt wird. Dies ermöglicht theoretisch eine offenere Diskussion.
Wenn du während der INC-Sitzungen Nachrichtenberichte siehst mit Aussagen wie „Einige Staaten haben versucht, Verhandlungen zu blockieren“, ohne aber anzugeben, welche Staaten, dann beruht dies auf der Chatham House Rule!
Bei der dritten Verhandlungsart handelt es sich um „informelle“ Verhandlungen. Wie der Name schon sagt, werden diese Treffen nicht aufgezeichnet und dienen der Erörterung heikler Fragen, häufig zwischen kleineren Gruppen von Ländern.
6. MEA – Multilaterales Umweltabkommen
Ein Abkommen zwischen zwei Ländern oder Staaten nennt man bilateral, eines zwischen mehreren Ländern multilateral. Das globale Kunststoffabkommen wird ein MEA (Multilateral Environmental Agreement) sein. Es gibt bereits mehr als 250 MEA, die alles abdecken, vom Thunfisch bis zur Ozonschicht. Das globale Kunststoffabkommen muss die bestehenden MEA ergänzen und darf nichts, was die anderen MEA regeln, verdoppeln oder diesen widersprechen. Es wird viel darüber diskutiert, wie dies am besten zu bewerkstelligen ist, insbesondere im Zusammenhang mit Übereinkommen der BRS (Basel, Rotterdam, Stockholm), die die Herstellung, Verwendung, den Handel und die Entsorgung von gefährlichen Abfällen und Chemikalien, von denen ein grosser Teil aus Kunststoff besteht, regeln.
7. EPR – erweiterte Herstellerverantwortung
Die EPR (Extended Producer Responsibility) bezieht sich auf eine breite Palette von Massnahmen, die in den Vertrag aufgenommen werden könnten, um sicherzustellen, dass die Kunststoffhersteller (und die aus Kunststoff hergestellten Produkte und Verpackungen) für die Gesundheits- und Umweltkosten ihrer Produkte während des gesamten Produktlebenszyklus’ haftbar gemacht werden.
Auf der grundlegendsten Ebene bedeutet die erweiterte Herstellerverantwortung, dass die Unternehmen mehr ihrer Abfälle sammeln und recyceln müssen. Ein strengeres Massnahmenpaket würde auch Ziele für die Verringerung von Einwegkunststoffen, die Gestaltung und Infrastruktur für die Wiederverwendung, die Kennzeichnung der Kunststoffbestandteile und die Verhängung von Geldbussen für Schäden vorschreiben.
8. CBDR – Gemeinsame, aber differenzierte Verantwortungen
Die Vorstellung ist, dass zwar alle Länder gemeinsam für die Lösung globaler Umweltprobleme, aber nicht alle Länder gleichermassen dafür verantwortlich sind. Die Länder des globalen Nordens haben in der Regel mehr getan, um dem Klima und der Lebenswelt zu schaden, und als Folge dieser Ausbeutung haben sie nun mehr Geld, um diese Schäden zu beheben. Die CBDR (Common but differentiated responsibilities) sagen, dass diese Länder verpflichtet sind, Ländern im globalen Süden zu helfen, die weniger verantwortungsbewusst sind. Diese Entwicklungsländer brauchen finanzielle Unterstützung, um die Auswirkungen der Plastikverschmutzung zu bewältigen und die Massnahmen zu ergreifen, die im Rahmen des Abkommens empfohlen werden.
Es ist wichtig, dass das CBDR-Prinzip nur für die Finanzierung von Aktionen gilt, die im Vertrag enthalten sind, nicht aber für die Aktionen selbst. Einige Länder argumentieren bereits, dass ihre „besonderen nationalen Gegebenheiten“ sie davon abhalten, sich an global vereinbarte Standards zu halten. Die Anwendung von CBDR auf diese Weise würde den Vertrag schwächen, da er den einzelnen Ländern die Entscheidung überlässt, ob sie die Umwelt weiter verschmutzen oder nicht.
9. ROP – Geschäftsordnung
Sie mögen wie langweilige Verwaltungsdetails klingen, aber die Entwürfe der Geschäftsordnung (Rules of Procedure, RoP), die festlegen, wie der Vertrag beschlossen wird, sind eines der heissesten Themen in den INC-Sitzungen. Die zentrale Frage dabei ist, ob Mitgliedsstaaten das Recht haben sollen, über Anträge abzustimmen, wenn sie keine Einigung erzielen können , wie es in den Artikeln 37 und 38 steht.
Warum sollten Länder nicht abstimmen wollen? Einige befürchten, dass sie, wenn sie auf der Verliererseite stünden, gezwungen wären, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollen. Sie befürworten deshalb, dass jede Entscheidung im Konsens getroffen wird, was bedeutet, dass eine einstimmige (100%) Zustimmung erforderlich ist.
Dies bedeutet jedoch auch, dass, wenn nur ein Land von 175 Ländern mit einem Antrag nicht einverstanden ist, nichts passieren kann, solange der Antrag nicht in eine (normalerweise abgeschwächte) Version geändert wird, die das Land doch noch billigt. Mit anderen Worten: Entscheidungen, die bereits von einer grossen Mehrheit der Länder akzeptiert werden, können von Minderheiten abgeblockt werden.
Während wir uns auf INC-4 zubewegen, befinden sich die RoP immer noch im Entwurfsstadium, was angesichts der Vertiefung der Verhandlungen ein grosses Risiko darstellt. Mächtige Öl produzierende Länder werden auf einen Konsens drängen, so dass sie gegen jeden Versuch im Rahmen des Abkommens, ihre Aktivitäten einzuschränken, ein Veto einlegen können.
10. RZD – Überarbeiteter Entwurf Zero
Der «Entwurf Zero» ist ein Textvorschlag für den Vertrag, der vom INC-Sekretariat nach der INC-2 in Paris ausgearbeitet wurde. Er enthält alle verschiedenen Optionen zur Beendigung der Plastikverschmutzung während ihres gesamten Lebenszyklus’. Auf der INC-3 in Nairobi wurde der Text von den Mitgliedstaaten erörtert, und mehrere Seiten mit vorgeschlagenen neuen Formulierungen wurden hinzugefügt. Daraus resultierte der «Überarbeitete Entwurf Null» (Revised Zero Draft, RZD), der fast doppelt so lang ist wie das Original.
Auf der INC-4 wird dieser neue Text die Grundlage für die Verhandlungen sein. Mehr über den Entwurf Zero und was das Abkommen unserer Meinung nach beinhalten sollte, findest du auf Instagram in unserem Post oder im Video.
Im Rahmen der INC-4 soll ein Redaktionsteam für Rechtsfragen damit beginnen, den Text in eine praktikablere Fassung zu bringen, während die Länder versuchen werden, in einigen der strittigeren Punkte, wie z.B. der Reduzierung der Kunststoffproduktion, eine gemeinsame Basis zu finden.
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Wenn dieser Leitfaden hilfreich war und du mehr über andere Themen im Zusammenhang mit dem Global Plastics Treaty oder der Plastikverschmutzung im Allgemeinen wissen willst, dann schreib uns doch bitte unten einen Kommentar .
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